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MORGENSEITEN : Gastbeitrag von Barbara Seidl

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ESSAY: BARBARA SEIDL

EINLEITENDE WORTE

Während des ersten Lockdowns habe ich begonnen zu schreiben. Herausgekommen ist dabei ein Blog, er nennt sich feeling-better-Blog. Du liest gerade in ihm ;-) (danke dafür!)

Während des Schreibens habe ich gespürt, wie sich meine Gedanken auflösen und neu zusammensetzen, manifestieren, neue Ideen entstehen, Kreativität fließt.

Eine wichtige Person in diesem Prozess war immer Barbara Seidl, Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Gründerin von Litrobona, einer Plattform für österreichische Literatur. Sie hat mich dabei unterstützt, mich zu trauen, mich schriftlich auszudrücken (und nicht nur mündlich wie das bei einer Psychologin so üblich ist). Umso mehr freue ich mich jetzt, ihren großartigen Essay hier auf diesem Blog mit euch zu teilen. Es geht um die Freundschaft unserer beiden Professionen: das Schreiben und die Therapie. Schreiben als Therapie. Was für eine wunderbare Freundschaft!

Ich danke dir sehr, liebe Barbara!

Festhalten: Über das Schreiben als Selbsttherapie

Morgenseiten als Methode der Schreibtherapie

Das Schreiben war immer schon meine erste Wahl, wenn es darum ging, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen, aber ich habe erst relativ spät verstanden, wie wichtig das Schreiben für meine innere Ruhe ist. 

Obwohl ich mich gerne schriftlich ausdrücke, konnte ich mich mit dem Tagebuchschreiben nie so richtig anfreunden. Zu groß war der Druck, etwas Spannendes erlebt haben zu müssen und die Ratlosigkeit, was ich angesichts eines unspannenden Tages in mein Tagebuch schreiben sollte. Außerdem ertappte ich mich regelmäßig dabei, wie ich Dinge aufbauschte, oder dazudichtete, nur um den Tag interessanter erscheinen zu lassen.

Und dann beobachtete ich eines Tages, während eines gemeinsamen Spanienurlaubs, eine Freundin beim Frühstück, wie sie, Café Cortado schlürfend, in ein Heftchen kritzelte. Da sie dabei ziemlich lässig aussah, wollte ich wissen, was sie da schrieb. „Meine Morgenseiten“ erklärte sie und erzählte mir von Julia Cameron und The Artist’s Way.

In diesem Buch beschreibt Cameron ihre Erfahrungen mit der Routine des ungefilterten morgendlichen Schreibens.

Die Idee ist, jeden Morgen drei A4 Seiten mit allem voll zu schreiben, was einem in den Sinn kommt: Ideen, Gedanken, Träume, Albträume, oder auch einfach „ich habe keine Ahnung, was ich schreiben soll“. Seit das Buch im Jahr 1992 erschien, wurde schon viel darüber geschrieben.

Als Methode zur Steigerung der Kreativität und zur Selbstentwicklung wurden die Morgenseiten in therapeutischen Schreibworkshops eingesetzt und als „Meditation mit Worten“ angepriesen.

Für mich bedeutet diese Routine, die ich nun schon seit zwanzig Jahren mehr oder weniger regelmäßig jeden Morgen pflege, vor allem SCHREIBEN, ZEIT, FLIESSEN, SAMMELN und LOSLASSEN – fünf Punkte, die mich zu einem ausgeglicheneren Menschen gemacht haben.

SCHREIBEN

Es ist nicht unbedingt immer der Inhalt, der zählt, sondern vielmehr der Schreibakt selbst: die Bewegung des Handgelenks, wenn sich der Stift über das Papier bewegt. Anders als beim Schreiben am Computer, lässt sich beim händischen Schreiben auch die jeweilige Stimmung ablesen: an der Größe und Neigung der Buchstaben, daran wie stark mit dem Stift aufgedrückt wurde, ob die Wörter deutlich lesbar sind oder nicht. Wenn man seitenweise mit der Hand schreibt, bereitet das Schmerzen, Druckstellen auf den Fingern und ein Ziehen im Gelenk. Ich habe in einem Artikel gelesen, dass immer weniger Leute mit der Hand schreiben, ja vor allem junge Leute oft schon Probleme haben, einen Stift richtig zu halten, weil sie es nicht mehr gewohnt sind.

Das ist schade, denn mit der Hand zu schreiben ist viel persönlicher. Mit der eigenen individuellen Schrift experimentieren, die Bewegung der Hand über das Papier, das hat etwas Befreiendes. Mit Hilfe des Stiftes kann man auch gut Aggressionen abbauen: fest aufdrücken, etwas durchstreichen oder verwischen. Das Papier, das vom Schweiß der Hände oder von salziger Tränenflüssigkeit befleckt wird, spiegelt die Stimmung und die Emotionen während des Schreibens wider.

ZEIT

Selbst wenn ich nur zehn Minuten zur Verfügung habe – die Zeit in der ich meine Morgenseiten schreibe, ist Zeit, die ich mir nur für mich selbst nehme. Das ist eine Zeit, in der ich meine Gedanken darauf richte, was ich machen möchte oder machen sollte, in der ich mich meinen Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten stelle, in der ich ausdrücke, was ich sonst oft unterdrücke. Manchmal lösen sich Probleme durch das Aufschreiben von selbst oder erscheinen plötzlich nicht mehr so schlimm. Dann wieder entstehen im Schreiben neue Ideen, auf die ich im Alltagswirrwarr mitunter nie gekommen wäre. Durch das Schreiben fokussiere ich gleichzeitig auch mein Denken und spare so letztendlich auch Zeit. Während ich früher ungute Stimmungen oft den ganzen Tag mit mir herumgeschleppt habe, dokumentiere ich sie heute einfach auf Papier und fühle mich schon allein durch das Aufschreiben erleichtert.

FLIESSEN

Auf dem Papier kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen. Auf dem Papier rede nur ich. Ich stelle mir selbst Fragen und beantworte sie auch. Meine Morgenseiten sind eine Fortsetzungsgeschichte. Dabei müssen sie weder linear sein noch Sinn ergeben. Ich schreibe einfach drauf los und bin jedes Mal aufs Neue überrascht was dabei herauskommt. Ich lasse meine Gedanken fließen und übe dabei auch, nicht allzu streng mit mir selbst zu sein. Denn gerade der Hang zum Perfektionismus, der selbstauferlegte Druck, gut strukturierte Sätze zu Papier bringen zu müssen, blockiert mich und macht es mir manchmal unmöglich, etwas zu schreiben. Was einmal da ist, kann im Nachhinein immer noch geordnet und verbessert werden. Die wirkliche Herausforderung ist immer, das Ventil zu öffnen und die Innenwelt in Worte zu fassen.

SAMMELN

Nicht alle Ideen sind brauchbar und nicht allen Gedanken muss nachgegangen werden. Doch je mehr ich dokumentiere, desto mehr Auswahl habe ich und umso größer ist auch die Chance, dass etwas Nützliches dabei ist. Das gilt übrigens nicht nur für Einfälle, sondern auch für Gefühle. Vielleicht empfinde ich eines Tages eine große Angst vor etwas, das ich nicht sofort benennen kann. Kann sein, dass es sich dabei nur um eine einmalige Empfindung handelt und auch schnell wieder vergessen ist. Dennoch macht es Sinn, wenn ich darüber schreibe. Kommt das Gefühl nie wieder, dann weiß ich, dass es wohl nicht so wichtig war, selbst wenn ich es im ersten Moment noch so stark empfunden habe. Wiederholt es sich jedoch, dann kann ich vielleicht Parallelen erkennen, die mir weniger bewusst gewesen wären, hätte ich das Gefühl gleich beim ersten Mal als unwichtig abgetan, statt es aufzuschreiben.

LOSLASSEN

Schließlich, und das halte ich für den wichtigsten, gleichzeitig aber auch für den schwersten Punkt, haben mich die Morgenseiten auch gelehrt, loszulassen. Denn anders als Tagebücher sind Morgenseiten nicht für die Ewigkeit bestimmt. Ich schreibe meine Gedanken, Träume, Hoffnungen und Ängste auf Papier und dann, etwa ein bis zwei Jahre später, werfe ich sie weg. Manchmal blättere ich die Heftchen noch einmal durch, bevor ich mich von ihnen trenne, oder ich lege sie ungeöffnet zum Altpapier. Am Anfang habe ich sie sogar noch ins Feuer geworfen, doch das ist jetzt, da ich in einer Wohnung ohne Kamin wohne, nicht mehr so leicht möglich. Es mag brutal erscheinen, etwas so Intimes einfach in den Müll zu werfen, doch dieses Loslassen schafft Platz für Neues. Nicht nur für neue Heftchen im Regal, sondern auch für neue Pläne und Ideen. Es geht nicht darum, Gedanke und Gefühle in einen Schrein zu stellen, sondern sich ihrer bewusst zu werden und im Idealfall etwas zu ändern. Ob das gelingt oder nicht, hängt letztendlich von vielen Faktoren ab, aber es tut manchmal gut, das Vergangene einfach ruhen zu lassen. Wie das morgendliche Schreiben ist auch das Loslassen ein Ritual: es hilft mir, meinen Blick nach vorne zu richten und auf einer neuen Seite weiterzuschreiben.

Über Barbara Seidl:

Barbara E. Seidl ist freie Autorin, Literaturwissenschaftlerin, Sprachtrainerin und Gründerin der Literaturplattform Litrobona.

In ihren Forschungsprojekten setzt sie sich mit literaturwissenschaftlicher Emotionsforschung und Mehrsprachigkeit in der Literatur auseinander.  2018 leitete sie einen Workshop zu kreativen Sprachbiographien.

Mehr zu ihren literarischen und wissenschaftlichen Projekten findest du unter https://beseidl.com sowie auf https://litrobona.com.

Photo by Yannick Pulver on Unsplash

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