EINLEITENDE WORTE
Nach dem Verlust eines geliebten Menschen sind wir oft im wahrsten Sinne des Wortes sprach-los. Wie uns dabei das psychologische Gespräch, aber auch die Kunsttherapie das Unaussprechliche wieder in Worte und Bilder fassen lässt, erfahrt ihr in diesem wundervollen Gastbeitrag.
Danke liebe Veronika!
WAS DIE SEELE NÄHRT
Psychologische Behandlung und Beratung und Kunsttherapie nach dem Verlust eines geliebten Menschen
„Wird schon wieder werden.“ „Irgendwie werde ich das schon überstehen.“ Mit solchen oder ähnlichen Sätzen motivieren und trösten wir uns oft in schwierigen Zeiten. Und dann gibt es aber Situationen in unserem Leben, in welchen solche Sätze wie leere Phrasen auf uns wirken und der Blick Richtung Zukunft getrübt erscheint. Der Tod eines geliebten Menschen kann genau eine solche Situation sein.
TRAUER
Wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, so kann es passieren, dass wir uns dermaßen von unserer Trauer überwältig werden, dass wir uns hilflos und ohnmächtig fühlen und das Gefühl haben, dass das Leben völlig aus den Bahnen geraten ist. Wenn dieses Gefühl länger anhält, so kann es hilfreich sein, externe Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Wann der richtige Zeitpunkt ist, sich externe Hilfe zu suchen, ist individuell unterschiedlich. Oftmals plagen sich Betroffene lange mit der Frage herum, ob es denn normal sei, die Trauer nicht allein bewältigen zu können und ob man denn vielleicht selbst nicht „normal“ sei, wenn man sich Unterstützung suche.
Hier ist es ratsam, sich nicht von Erwartungshaltungen anderer und gesellschaftlichen Vorstellungen über die Trauer unter Druck setzen zu lassen, sondern in sich reinzuhorchen und einen achtsamen und liebevollen Blick auf die eigene aktuelle seelische Lage zu werfen. Ist der Leidensdruck groß und hat man das Gefühl, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können, seit dem Verlust des geliebten Angehörigen in ein Loch gefallen zu sein oder nicht mehr man selbst zu sein, so tut es gut, sich Begleitung auf dem oft beschwerlichen Weg der Trauer zu suchen.
Was hilft bei Trauer?
Psychologische Beratung und Behandlung und Kunsttherapie können auf unterschiedliche Art und Weise ihren Beitrag dazu leisten, dass wir den Verlust und die Trauer in unser Leben integrieren können und nach und nach unseren Lebensmut zurückgewinnen.
Psychologischen Beratung und Behandlung eröffnen die Möglichkeit, die Gefühle rund um die Trauer besser verstehen und einordnen zu können. Nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen durchleben trauernde Menschen unterschiedliche Phasen, welche im besten Fall in eine Integration des Verlusterlebnisses in ihr Leben und eine Neuorientierung münden.
Der Trauerprozess
Im Trauerprozess werden Phasen durchlebt, in welchen Angehörige den Tod der geliebten Person nicht wahrhaben wollen, intensive Gefühle hervorbrechen, in welchem sie mit ihrem Schicksal hadern, an sich und der Welt zweifeln, intensiv die Nähe zum Verstorbenen suchen oder aber sich mit Dingen beschäftigen, welche vom Verlusterlebnis ablenken (Verena Kast, 2003). Manchmal passiert es, dass Betroffene in einer dieser Phasen stecken bleiben, was den Trauerprozess erschwert, und oftmals verstärken sich durch den Verlust einer nahestehenden Person schon vorher bestandene Probleme, Konflikte und Ängste.
Neben dem Verstehen und Annehmen der aktuellen Gefühlslage ist das Finden von Lösungen für eine Verbesserung der aktuellen Lebenssituation ein wichtiger Teil der psychologischen Beratung und Behandlung. Im Zusammenhang mit Trauerarbeit bedeutet dies, Ressourcen ausfindig zu machen, welche den Umgang mit der Trauer und dem Verlust erleichtern und diese zu stärken. Im Trauerprozess ist es wichtig, der Trauer und der Beziehung zum Verstorbenen Raum zu geben und andererseits Gelegenheit für Neuorientierung zu schaffen, sodass Betroffene das Gefühl haben können, dass das Leben auch ohne den verstorbenen Menschen weitergeht.
Eine neue Beziehung entsteht
Auch das Finden einer neuen Form der Beziehung zum Verstorbenen ist ein wichtiger Teil der Psychologischen Beratung und Behandlung im Rahmen der Trauerbegleitung. Der geliebte Mensch lebt nicht mehr, jedoch bleibt die Liebe zum Verstorbenen. Entgegen der Annahme früherer psychologischer Theorien geht es bei der Trauer nicht ums Loslassen des Verstorbenen, sondern ums Loslassen der bis vor dem Tod bestehenden Beziehung zum Verstorbenen. Es ist nicht mehr möglich, physisch mit dem geliebten Menschen in Kontakt zu treten, jedoch gibt es andere Möglichkeiten, die Beziehung zu leben und zu gestalten und so der Liebe zum Verstorbenen im Herzen weiterhin einen Platz einzuräumen, sodass der Verstorbene auf andere Art und Weise Teil des Lebens bleiben kann (Roland Kachler, 2017).
Kunsttherapie bei Trauer
Welche Art der Unterstützung kann die Kunsttherapie für Trauernde bieten? Auch sie unterstützt dabei, die eigene Gefühlswelt besser zu verstehen und den Weg der Trauer sichereren Trittes bewältigen zu können. Sie gibt Ausdrucksmöglichkeiten, wenn die Worte fehlen, wenn die Dinge zu schrecklich sind, um sie in Worte fassen zu können oder der Verstand das innere Gefühlschaos nicht zu erfassen vermag. Das kreative Tun eröffnet die Möglichkeit, die aktuelle Situation auf mehreren Sinnesebenen begreifbarer zu machen, und es kann sehr entlastend sein, den intensiven Gefühlen im Zusammenhang mit dem Verlust Gestalt verleihen zu können.
Zugleich wird im kunsttherapeutischen Prozess spürbar, dass wir unserer Lebenssituation nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern die Möglichkeit haben, den Herausforderungen des Lebens kreativ zu begegnen und die Welt im Innen und Außen mitzugestalten. Oft laden die in der Kunsttherapie entstandenen Werke auch zu einem Perspektivenwechsel ein. Unerkannte Ressourcen werden sichtbar und der Blick weitet sich.
Bezüglich des Findens einer neuen Beziehung zum Verstorbenen eignen sich kunsttherapeutische Methoden ebenfalls hervorragend. Im kunsttherapeutischen Prozess wird deutlich erfahrbar, dass nicht nur das existiert, was sichtbar ist, sondern auch das, was wir fühlen und denken. Wenn der Liebe dem verstorbenen geliebten Menschen im kreativen Schaffen Form und Farbe verliehen werden kann, so wird für Betroffene spürbar, dass all die Erinnerungen und die Beziehung zum Verstorbenen bleiben, auch wenn der geliebte verstorbene Mensch körperlich nicht mehr anwesend ist (Udo Baer, 2010).
Fazit
Psychologische Beratung und Behandlung und Kunsttherapie können auf unterschiedlichen Ebenen unterstützend im Trauerprozess wirken und ergänzen sich wunderbar. Je nach aktueller Lebenssituation und den Bedürfnissen der Betroffenen können sie auf unterschiedliche Weise einen Beitrag dazu leisten, dass trauernde Menschen auf dem Weg der Trauer nach und nach wieder Optimismus und Vertrauen in sich und die Welt gewinnen.
Über Veronika Wieser:
Veronika Wieser ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin und Kunsttherapeutin (APAKT Hamburg). Sie hat große Freude daran, sich geistig, seelisch und künstlerisch mit den vielen Facetten des Lebens auseinanderzusetzen.
Veronika Wieser bietet psychologische Beratung in Wien 16 sowie Kunsttherapie in Wien 15 an. Ihre Angebote findet ihr auf ihrer Homepage: https://psychologieundkunst.at/
Quellen und Lesetipps:
- Verena Kast (2006): Zeit der Trauer. Kreuz, Stuttgart.
- Roland Kachler (2017): Meine Trauer wird dich finden. Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit. Herder, Freiburg im Breisgau.
- Udo Baer (2010): Gefühlssterne, Angstfresser, Verwandlungsbilder. Affenkönig Verlag, Neukirchen-Vluyn.
Artwork by Claudia Bauer: https://claudiabauer.at/
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