Wie schon der schlaue Kater Garfield einmal sagte: „time flies when you’re having fun!“. Die Zeit fliegt nur so dahin und wir schreiben bereits Woche 6 der Ausgangsbeschränkungen!
Baumärkte und kleinere Geschäfte sperren der Reihe nach wieder auf, die Bundesgärten in Wien (Schönbrunn, Augarten, Stadtpark etc.) dürfen wieder betreten werden und ich habe immer weniger ein schlechtes Gewissen, mit meinen Kindern „Draussen-Zeit“ zu verbringen als in den letzten Wochen. Schön!
Und als Sahnehäubchen oben drauf: heute haben wir über die Medien erfahren, dass es ab dem 4.5. wieder schrittweise möglich sein wird, unsere Kinder in den Kindergarten zu geben. Davor wäre das für uns nur mit einem „systemrelevanten Job“ möglich gewesen (den wir beide anscheinend nicht haben).
Mama in der Corona-Krise
So ein Glück! Yeah Kindergarten! (oder: Yeah Schule! Oder zumindest: Yeah! Nicht den ganzen Tag aufeinander hocken und sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben!)
Ich bin glücklich. Denn gerade in der letzten Woche hatte ich nach dem kurzen „Oster-Feiertags-Hoch“ ein tiiiiefes Tief.
Obwohl ich mich tendenziell als optimistischen und durchaus resilienten Menschen einstufen würde, der schon mal eine Krise „meistern“ kann, ging es mir letzte Woche – als es noch hieß: 4 (!) Wochen bis zum Kindergarten-Wiedereinstieg …naja, richtig scheiße.
Wie geht’s euch da draußen?
Nachdem ich einen Tag mit plötzlich auftretenden Heulkrämpfen überstanden hatte (Auslöser: Kinder haben sich mit dem klassischen Slogan: „wäh-gacki“ gegen mein Mittagessen aufgelehnt) und ich mich verschiedenen BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN gegen den Corona-Stress gewidmet habe (Alkohol, essen, etc.), habe ich mich mittlerweile zum Glück wieder einigermaßen beruhigt.
Claus Lamm, Professor für Soziale Neurowissenschaften an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien sammelt übrigens gerade Daten darüber, wie Menschen die Corona-Krise erleben und inwiefern sich diese Krise auf ihr Verhalten auswirkt (hört auch in den Ö1-Corona-Podcast rein!).
Beispielsweise ob man mit dem ganzen Essen versucht, fehlende Sozialkontakte zu kompensieren, was u.a. dazu führt, dass der Schokoladen-Konsum zur Zeit deutlich ansteigt (kann ich nur bestätigen, die Osternester der Kinder sind fast leergefressen. Von mir. Ich schäme mich.)
Aber bitte: kann ich die Studienergebnisse und die daraus folgenden HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN jetzt schon haben?! Denn ich bin schließlich jetzt schon total k.o. im Homeoffice mit Kind (hier zum Blogbeitrag darüber).
HOW TO SURVIVE?
Bis ich diese Handlungsempfehlungen kriege, habe ich mir letzte Woche am Tiefpunkt meiner persönlichen Mama-Corona-Krise für mich selbst etwas notiert:
DINGE, DIE MIR GEHOLFEN HABEN:
Gleich vorweg: Das muss jetzt nicht zwangsläufig heißen, dass sie euch auch automatisch helfen, denn (zum Glück) sind wir alle verschieden. Aber probiert’s doch trotzdem mal, denn wie man hier so schön sagt: „Hülft’s nix, schod’s nix!“ (Hilft es nicht, so schadet es auch nicht!)
- Tipps zur Vermeidung des Lagerkollers (in diesem Beitrag) der Psychologin Prof. Lea Waters (v.a. der Tipp mit den Rückzugszonen!)
- Mehr „Paar-Zeit“ und sei es nur ein Gespräch zwischendurch (zu mehr kommt man ja eh nicht)
- Mehr Ablenkung durch Außen-Reize in der Arbeit (sagt jetzt ja nicht, dass sich Psycholog*innen nur mit den Problemen Anderer beschäftigen weil sie sich nicht mit ihren eigenen beschäftigen wollen! ? So ist es ja gaaar nicht bei mir!)
- Wieder mehr (online-)Sozialkontakte mit anderen überforderten Eltern (-> inkl. Kontaktverbot zu Super-Mamis und -Papis!)
- Mehr Zeit für mich alleine -> geht am Besten wenn ich für die Kinder nicht erreichbar bin zB. ALLEINE einen Spaziergang mache (Hund darf mit)
- Und: das ist DAS WICHTIGSTE:
dass ich mich vom alten Muster, die perfekte Mama sein zu wollen, getrennt habe!!!
Bin ich eine schlechte Mutter?
Die Frage, die ich mir vor wenigen Tagen noch gestellt habe, war nämlich: Bin ich die berühmte „good enough mother“, wie sie der englische Kinderarzt und Psychoanalytiker D.W. Winnicott genannt hat?
Und weshalb haben – vor allem – Frauen immer so ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht 24/7 für ihre kleine Sonnenscheine zur Verfügung stehen wollen?
Bin ich eine schlechte Mutter, wenn ich unter Corona-Bedingungen öfter als normal ausflippe und meine Kinder anschreie?
Bin ich eine furchtbare Mutter, wenn ich nicht alles auf die Reihe kriege was mir die Super-Influencer-Mamis in den sozialen Medien anpreisen? (-> bitte wer schaut IN ECHT so aus wie auf einem Instagram-Selfie? Nicht mal die Influencermamis selbst. Und außerdem: wer hat schon Zeit und Lust, den ganzen Tag seine Kinder zu bespaßen, zu bekochen und zu be-basteln?)
Ich habe jedenfalls angefangen, zu recherchieren und bin mit ERSTAUNEN drauf gekommen:
die „ausreichend gute Mutter“, wie Winnicott sie nannte, war perfekt!
The good enough mother
Die „good enough mother“ ist nämlich nicht, wie ich bis jetzt eigentlich dachte, NUR gerade „gut genug“ um auf die Grundbedürfnisse ihres Kindes einzugehen (und mehr nicht), sondern passt sich in den ersten Lebensmonaten ideal an die Bedürfnisse ihres Babys an und erfüllt sie auch (stillen/Flaschi geben, Geborgenheit vermitteln, etc.).
In der ersten Zeit nach der Geburt stellt die „ausreichend gute Mutter“ also ihre eigenen Bedürfnisse weitestgehend zurück (vor allem Schlaf!).
Danach allerdings erlaubt sie sich und ihrem Kind mehr und mehr Momente der Frustration. Dabei ist sie immer noch empathisch und kümmert sich um ihr Kind! Sie reagiert aber nicht immer sofort auf jede Bedürfnisäußerung ihres Babys sondern erlaubt dem Kind, KURZ frustriert zu sein (GANZ WICHTIG: zu Beginn reden wir hier von Sekunden!), passend zu seinem entwicklungspsychologischen Status.
Durch die Gestaltung einer sicheren Bindung zur „ausreichend guten Mutter“, die dadurch in den ersten paar Monaten aufgebaut wird, kann das Kind DANACH von ihr lernen, sich der Aussenwelt zuzuwenden, die – wie wir alle lernen mussten – nicht immer ein Ponyhof ist.
In sum, with good enough mothering, a child has the ability to live in two worlds: the world of illusion, fantasy, and magic, on the one hand
and on the other hand, a world that does not always conform to his wishes.
aus einem Beitrag für Psychology Today
von Marilyn Wedge, Ph.D., Familientherapeutin und Begründerin der „strategic child-focused family therapy“
Dieses Foto von mir vor dem Pippi Langstrumpf-Bild meiner lieben Künstler-Freundin Claudia Marina Bauer (nein, ich sammle ansonsten keine Kunst!) habe ich während meiner persönlichen Mama-Corona-Krise auf Instagram gestellt. Es soll mich an Folgendes erinnern, falls ich es mal zwischendrin wieder vergesse:
„Ich muss einfach wirklich überhaupt gar nichts!“
(ausgenommen meine und die Grundbedürfnisse der Kinder zu stillen, eh klar)
Mama ist wütend
Der Autor und Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Hans-Peter Thomashoff hat in seinem Buch. „Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind“ in einer seiner Fall-Geschichten auf dieses Dilemma der perfekten Mutter hingewiesen:
In der Geschichte: „Max – oder: Wie hältst du es mit deiner Wut?“ geht es um eine Mutter, die das Leben ihres zweijährigen Sohns Max perfekt gestalten will und sich dabei zu wenig um ihre eigenen Bedürfnisse kümmert (wer von uns kennt das nicht? Gerade beim ersten Kind ist man doch voll im „Selbstoptimierungs-Modus“)
Max erlebt seine Mutter dabei immer als gut gelaunt und geduldig, nie wird sie wütend.
Thomashoff schreibt dazu folgendes: „Immer perfekt zu sein, vermittelt Max ein völlig unrealistisches Bild von seiner Mutter und damit auch davon, wie andere Menschen ticken. Nicht nur blendet es die Tatsache aus, dass jeder Mensch seine eigenen Bedürfnisse hat und dass es im Leben darauf ankommt, die eigenen Bedürfnisse mit denen der anderen in Einklang zu bringen. Sondern die immer gut gelaunte und geduldige Mutter verstellt Max zugleich den Blick auf die ganze Vielfalt an Gefühlen und auf das Zurechtkommen mit ihnen.“
Er plädiert dafür, dass Kinder von uns Eltern als Modell lernen müssen, mit „negativen“ Emotionen wie Wut umzugehen. Damit können diese Gefühle in das Selbst des Kindes integriert werden.
Zusätzlich dazu, sich ihre gelegentliche Wut über ihr Kind zu gestatten muss Max’s Mutter wieder vermehrt auf ihre eigenen Bedürfnisse achten.
Thomashoff schreibt: „Erst wenn Caroline damit beginnt, sich wieder selbst um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern und das auch ehrlich vorzuleben, kann sie ihrem Max den Weg in sein eigenes Leben weisen.“
WORD!
Mama hat Bedürfnisse
Während also andere Mütter wie verrückt Arbeitsblätter, Experimente und Bastelideen ausgetauscht haben, um sich wahrscheinlich mit ihren Kindern psychisch irgendwie über Wasser zu halten und nicht auszuflippen, hab ich was anderes gemacht: meine Kinder vor die Spielkonsole gesetzt. Und dann (und zusätzlich natürlich auch nachts wie jetzt gerade) habe ich diese Blogbeiträge geschrieben.
Und dieser Blog wurde dann sogar noch mit Hilfe vieler toller, begabter, lieber Menschen auf die Welt gebracht!
Und das hab ich mal NICHT für meine Kinder gemacht sondern ganz einfach für MICH SELBST!
Weil es mein eigenes, dringendes Bedürfnis war.
Und es fühlt sich toll an!!
Und zusätzlich dazu kann mein Sohn jetzt auf der Nintendo-Switch ganz toll andere Autos rammen.
Sch.. auf Selbstoptimierung!
Also, liebe Leser*innen (nehme an, unter euch sind viele Mütter nachdem dieser Blogpost an euch adressiert ist):
Sch…t doch einfach auf die SELBSTOPTIMIERUNG!
Tut – wann immer ihr könnt – das, was euch gut tut: schreiben, lesen, faulenzen, binge-watchen, Schoko futtern, Sport machen oder euch ins Bett verkriechen und einmal ganz entspannt eine Runde heulen…
Denn ihr seid toll und habt es schon fast geschafft!
Und was macht ihr, um die Corona-Krise mit euren Kindern zu überstehen?
Ich freue mich über eure Tipps und Kommentare zu dem Thema!
Bleibt gesund (auch psychisch)! #mentalhealthmatters
Alles Liebe,
Andrea
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Feeling better?
Falls nicht, probiert es doch mit diesen
LINKS:
- 9 Tipps wie wir uns weniger Druck machen von Elterncoach Barbara Widerhofer auf der tollen Seite von miniandme.com
- Ich bin keine perfekte Mutter auf Susanne Mierau’s Online-Magazin für Eltern
- what is a good-enough-mother? von Marilyn Wedge, PhD (engl.)
- Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. (2018). Buch von Hans-Otto Thomashoff.
- aktuell und passend zum Muttertag 2020: Aufruf zur Blogparade „Was ich mir als Mutter wünsche“ auf berggeschwister.de
- und noch zwei tolle und wertvolle Beiträge! Einmal von fraufreigeist.de und
- ein ander Mal von der 4fach-Mama und Lehrerin Viola auf mama-und-co.de
Bildquelle: Photo by Alexandra Gorn on Unsplash
Ich hab gemerkt dass ich am besten gleich nach dem Frühstück eine Kleinigkeit Produktivität brauch (also Waschmaschine anwerfen, zwei Arbeitsblätter durchdrücken oder Betten machen) damit ich dann mir die zweite Kanne Tee, das in der Sonne sitzen oder selber Lernen gönnen kann. Früher war die Kleinigkeit noch der ganze Haushalt mit allen Erledigungen, aber siehe da, drei Handgriffe reichen um mein über-ich auszutricksen.
Danke für deinen persönlichen Über-Ich-Austricks-Tipp!! Klingt sehr gut… ich tausche den Tee für mich nur gegen Kaffee um ;-)
GLG, Andrea